Meine DataViz-Held*innen (4/5): Edward Tufte – der Guru des Informationsdesigns

Seit fast 40 Jahren publiziert Edward Tufte über aussagekräftiges Informationsdesign. Die New York Times nennt ihn gar den “Leonardo da Vinci of data.” 

Edward Tufte - der Guru des Informationsdesigns
Edward Tufte – der Guru des Informationsdesigns

Dabei ist der 1942 geborene Edward Tufte (ET) wohl auch eher über Umwege zu seiner Berufung gekommen. Nachdem er seinen Abschluss in Statistik in Stanford gemacht und seine Doktorarbeit in Politikwissenschaft in Yale geschrieben hatte, wurde er 1975 – mittlerweile Professor in Princeton – gebeten, einen Statistikkurs für Journalisten zu geben.

Ihm wurde offensichtlich schnell klar, dass Journalisten nicht nur statistische Grundlagen für gutes Storytelling benötigen. Die Frage, wie Informationen visualisiert werden sollten, damit Leser*innen sie schnell und richtig verstehen und auch behalten, ist von mindestens ebenso großer, wenn nicht größerer Bedeutung. 

In den Folgejahren erarbeitete er zusammen mit John Tukey – einem weiteren Visualisierungs-Pionier – einen Kurs, dessen Material Grundlage seines ersten Buches und Klassikers des Informationsdesigns “The Visual Display of Quantitative Information” von 1982 werden sollte. 

Die Veröffentlichung gestaltete sich allerdings schwierig: Es fand sich kein Verlag, der seinen Ansprüchen an Layout und Produktion genügte. Also nahm er kurzerhand eine – zweite – Grundschuld mit einem 18% (sic!) Zinssatz auf seine Immobilie auf und publizierte das Buch selbst. Mit Erfolg: Sein Werk wurde ein zeitloser Designklassiker und zwei Dutzend Male nachgedruckt. 

Edward Tufte Workshop
Edward Tufte

Mittlerweile hat ET fünf Bücher veröffentlicht und bietet mehrmals im Jahr Visualisierungs-Workshops an, auf denen seine Bücher an die etwa 300 Teilnehmer ausgegeben werden. 
Ein interessantes Geschäftsmodell … 

Auf diesen Veranstaltungen vermeidet er jede Art von Präsentationssoftware. Stattdessen werden ausgewählte Visualisierungen aus seinen Büchern gemeinsam betrachtet und diskutiert. Sein Credo: “PowerPoint is evil”.

Für unsere graphomate Entwicklungen sind besonders drei Prinzipien aus “The Visual Display of Quantitative Information” von Bedeutung:

Vermeide Chart Junk – “Less deco, more info!” 

ET bezeichnet mit Chart Junk alle visuellen Elemente, die nicht unmittelbar der Abbildung von Informationen dienen oder deren Interpretation unterstützen. Hierzu zählen dekorative Objekte, 3D-Effekte, bunte Farben, aber auch zu dicke Gitterlinien oder der übermäßige Gebrauch von Schraffuren. Hier ein imposantes Beispiel für Chart Junk von Nigel Holmes von 1982 und unser graphomate Re-Design: 

Chart Junk von Nigel Holmes
Quelle: Nigel Holmes, Time magazine, 1982
graphomate chart
graphomate chart

Visualisiere korrekt – “Tell the truth!”

Die visuellen Elemente, die Daten abbilden, müssen direkt proportional zu den darzustellenden numerischen Größen sein. ET spricht in diesem Zusammenhang auch vom “Lie Factor”. Manipulationen wie abgeschnittene Werte-Achsen bei Balkendiagrammen gilt es zu vermeiden, da Informationen nicht richtig interpretiert werden können. Etwas anders sieht es dagegen bei Liniendiagrammen aus: diese beginnen durchaus bei Werte-Achsen ¹0, wenn z.B. der Fokus auf der Veränderung der einzelnen Perioden liegt – wie z.B. bei Sparklines s.u. 
Hier ein eindrücklich falsches Beispiel und mein korrekter Visualisierungvorschlag:

Beispiel Li Factor
Quelle: Edward Tufte, The Visual Display of Quantitative  
Information, S. 118, 2. Auflage, 2001 
Visualisierungsvorschlag graphomate chart
graphomate chart

Das Original-Diagramm beschreibt ET als “vermutlich schlechtestes Chart, das je den Weg auf Papier gefunden hat”. Wohl nicht nur wegen der doppelt abgeschnittenen Werte-Achse – der Lie Factor liegt bei ~25 – auch die farbigen 3D-Flächen sind purer Chart Junk.

Maximiere Data Density – “Above all else, always show the data!” 

ET plädiert für eine hohe Informationsdichte bei der Vermittlung von Sachverhalten. 

“More information is better than less information.”

Quelle: Edward Tufte, The Visual Display of Quantitative  
Information, S. 166, 2. Auflage, 2001 

Unser Auge-Gehirn-System ist in der Lage in kurzer Zeit eine sehr große Menge an Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten. Große Diagramme mit wenig Elementen helfen nicht bei der Bewertung der Informationen. Erst eine Präsentation von vielen Datenpunkten und Dimensionen schafft Kontext und versetzt damit die Empfänger*innen in die Lage, Sachverhalte richtig einzuschätzen. 

Obwohl wir es gewohnt sind, täglich Informationen über hoch-verdichtete Tabellen zu konsumieren – Bundesliga, Aktienkurse –  erfordert es viel Überzeugungsarbeit, Visualisierungen wie z.B. Small Multiples einzusetzen:

Small Multiples
Quelle: Hichert+Faisst, 2015 

ET gilt auch als “Erfinder” der Sparklines: kleine, komprimierte Liniendiagramme in Textgröße. Sparklines eignen sich hervorragend, um Trends (etwa Schwankungen der Temperatur oder von Börsenkursen) platzsparend zu visualisieren. Sie sind nicht höher als eine Druckzeile und lassen sich deshalb auch gut in eine Tabelle integrieren.  

Hier ein Beispiel zur Entwicklung von Wechselkursen: 

Beispiel Sparklines
Quelle: Edward Tufte, The Visual Display of Quantitative  
Information, S. 172, 2. Auflage, 2001

Diese hohe Informationsdichte hat allerdings ihren Preis: Sparklines können nicht alle die gleiche Skala wie bei den oben abgebildeten Small Multiples verwenden. Sie sind daher nicht untereinander vergleichbar, sondern können nur horizontal gelesen werden. 

Wir haben die Sparklines-Idee in unsere graphomate matrix integriert. Mit wenigen Klicks können Sie einen Zeitverlauf in einer Spalte darstellen. Wir sind dabei noch einen Schritt weiter gegangen und haben neben Sparklines auch Sparkbars umgesetzt. Letztere skalieren über die Zeilen identisch und können daher auch miteinander verglichen werden. 

Hier ein Beispiel unserer graphomate matrix in Excel/MS365: 

Beispiel graphomate matrix for MS365
graphomate matrix for MS365

Während auf der 1. Hierarchiebene der Produktgruppe Sparkbars genutzt werden, kommen für die Trenddarstellung in den einzelnen Ländern Sparklines zum Einsatz. Der letzte Wert wird schwarz formatiert, Maximum und Minimum werden zur einfacheren Einordnung in blau und rot angezeigt.  

Das Beste: die Sparklines und Sparkbars können Sie neben MS365 auch in der SAP Analytics Cloud, in Power BI und in Tableau anwenden. Sie funktionieren überall identisch. 

Zurück zur Edward Tufte. Aktuell ist ET eher als Künstler unterwegs. Sein eigener 100.000 qm großer Skulpturengarten in Connecticut ist schon beeindruckend:

Edward Tufte Skulpturengarten
Quelle: https://www.edwardtufte.com/tufte/hogpen-hill-farms 

Schöne Sommertage, 

Lars 

PS: Gerade gefunden: Herr Tufte hat einen zweiten Vornamen. Er heißt vollständig Edward Rolf Tufte … echt jetzt! 

ccbync

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