Visualisierung: Big blue entwickelt sich prächtig …
Ich hab‘ mich mal wieder geärgert. Heise online hat sich zur Geschäftsentwicklung von IBM geäußert. Das ging gar nicht, deshalb konnte ich nicht anders und machte mir mein eigenes Bild …
IBM ist ja wirklich ein spannender Konzern. 1911 unter dem Namen „Computing Tabulating and Recording Company“ gegründet, benannte man sich 1924 in „International Business Machines Corporation“, kurz IBM, um. Mit der Vermietung von standardisierten Lochkartenmaschinen errang IBM ein Monopol in diesem Segment und entwickelte in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts die ersten Computer. Dabei soll der erste Chef von IBM Thomas J. Watson 1943 jenen denkwürdigen Satz gesagt haben: „I think there is a world market for maybe five computers.“
Das kam dann doch anders …
IBM unterstützt viele Open Source-Projekte und meldet weltweit jährlich von allen Unternehmen die meisten Patente an. Auch zeichnete sich IBM von Anfang an durch eine sehr fortschrittliche mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur aus. Und ist dabei sehr profitabel …
Im newsticker von Heise wird ein kleines Säulendiagramm gezeigt, das Umsatz und Nettogewinn der letzten 5 Quartale zeigt.
Abb. 1: Umsatz- und Nettogewinn IBM
Aus dem Begleittext – 178 Worte – lässt sich herauslesen, dass die Einheit wohl Mio. US$ ist. Diese Art der Präsentation von Unternehmensnachrichten ist Standard, wie ich schon gezeigt habe. Es folgt jedoch eine Tabelle von 46 Zeilen, die Umsatz und Gewinn nach Quartalen seit dem Jahr 2000 aufführt. Hallo? Wenn ich meinen Lesern doch schon Zahlenmaterial anbiete und mit einem Diagramm beginne, dann bitte doch auch alle Daten visualisieren.
Also setzte ich mich dran und begann die Daten der Tabelle über ein Diagramm darzustellen. Je intensiver ich mich mit dem Datenmaterial auseinander setzte, desto schwieriger wurde es. Ich habe lange mit mir gehadert. Letztlich entschied ich mich für eine geteilte Darstellung: zunächst Jahres- und Halbjahresdurchschnitte nach Quartalen; anschließend für die jüngere Vergangenheit die echten Quartalszahlen. 44 Quartale erschienen mir einfach zu viel. Dabei nutze ich die Möglichkeit Jahres-, Halbjahresdurchschnitte und Quartale unterschiedlich breit abzubilden:
Abb. 2: IBM hat die Umsatzrendite seit 2002 um 62% erhöht
Die Prognosewerte für die letzten beiden Quartale des Jahres 2011 habe ich „geschätzt“. Erstaunlich, wie bei IBM jedes Jahr wieder das „Dezemberfieber“ ausbricht.
Mehr der Vollständigkeit halber fügte ich die Umsatzrendite hinzu und war baff erstaunt, wie gut sich diese entwickelt hatte.
Nun musste das Bild abgerundet werden! Also setzte ich mich hin und durchforstete die Jahresberichte von IBM nach Mitarbeiterzahlen und Dividendenzahlungen, um diese zu visualisieren:
Abb. 3: IBM zahlt mehr als die dreifache Dividende, mit nur 35% mehr Mitarbeitern
Es wird schnell deutlich: IBM ist tatsächlich sehr profitabel! Eine um 62% gestiegene Umsatzrendite bei gleichzeitigem Anstieg der Belegschaft um nur 35% und einer Verdreifachung der Dividende.
Herr Palmisano – seit 2003 Chairman bei IBM – hat den shareholder-value wohl sehr genau vor Augen!
Doch wie steht es um die oben angesprochene fortschrittliche Mitarbeiterkultur? Hier passt das „Project Match“ aus dem Jahr 2009 gut ins Bild, über das IBM entlassenen US-Mitarbeitern neue Jobs in Indien und China angeboten hat. Oder auch die Ankündigung vom März 2010 nach dem IBM keine Zahlen zur Mitarbeiterentwicklung in den USA mehr veröffentlichen will.
Aus meiner ursprünglichen Absicht eine Tabelle als Diagramm abzubilden, um zu zeigen was mit unserem Addon möglich ist, ist eine intensive Auseinandersetzung mit IBM geworden, die mich einiges an Zeit und Nerven gekostet hat.
Dennoch wurde mir mal wieder deutlich, wie wichtig visuelle Darstellungen für das Erlangen von Einsichten sind. Erst während des Visualisierungsprozesses wurden mir Zusammenhänge klar, auf die ich vorher nicht gekommen wäre.
Für mich ein schönes Beispiel dafür, dass man nicht zu viele Informationen gleichzeitig zeigen kann.
Also: Viel hilft viel!
the best, Lars
PS: Ein großer PR-Coup ist IBM mit dem Sieg von Watson(!) – einer Software für Künstliche Intelligenz – gelungen.
Watson schlug im Februar dieses Jahres zwei menschliche Gegner in einer Quizsendung, die zuvor mehrmals gewonnen hat. Watson wusste besser auf Fragen zu antworten, die in natürlicher Sprache gestellt wurden, und gewann 1 Mio. US$!
IBM plant nun diese Technologie auf Geschäftsdaten anzuwenden, um Manager bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen: „Wir haben bereits Systeme entwickelt, die dem Nutzer sagen können, was die richtige Entscheidung wäre.“ Schön, wenn diese Systeme dann direkt auch die Verantwortung für die Entscheidung übernähmen …
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